Zum Arrest von Seeschiffen im vorläufigen deutschen Insolvenzverfahren

Können Seeschiffe eines deutschen Reeders während des vorläufigen Insolvenzverfahrens arrestiert werden? Gerade in der aktuellen Schifffahrtskrise gewinnt diese – in der deutschen Rechtsprechung nicht klar beantwortete – Frage an Bedeutung.

Hintergrund

Das deutsche Insolvenzverfahren ist zweistufig aufgebaut. Im ersten Teil – dem vorläufigen Insolvenzverfahren – soll ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Vermögenslage sichten, Vermögensgegenstände sichern und für das Insolvenzgericht prüfen, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen. Abhängig vom Ausgang des vorläufigen Verfahrens wird das Insolvenzverfahren eröffnet bzw. mangels Masse nicht eröffnet. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nicht nur das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über. Vielmehr sind auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger in die Insolvenzmasse unzulässig. 

Das Gesetz beschränkt die Möglichkeit des Insolvenzgerichtes, im vorläufigen Verfahren Vollstreckungsmaßnahmen zu untersagen, ausdrücklich auf das bewegliche Vermögen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift der Insolvenzordnung ist es, die Betriebsmittel des Unternehmens zu erhalten und einen Pfändungswettlauf der Gläubiger in Bezug auf bewegliche Gegenstände bereits im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens zu verhindern.

Durch eine Gesetzesänderung kann das Insolvenzgericht seit dem 01.01.2013 auch anordnen, dass bewegliche Gegenstände der Insolvenzmasse, an denen Sicherungsrechte privilegierter Gläubiger (Absonderungsrechte) und sogar Gegenstände, die nicht zur Insolvenzmasse gehören (deren Aussonderung verlangt werden kann), seitens der Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen, wenn sie für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung sind.

In Bezug auf unbewegliches Vermögen kann der vorläufige Insolvenzverwalter  bei dem Vollstreckungsgericht beantragen, eine eingeleitete Zwangsversteigerung einstweilen zu untersagen. Weitere Möglichkeiten, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufzuhalten, wie etwa einen Arrest in ein Seeschiff, sieht das Gesetz nach seinem Wortlaut jedoch nicht vor.

Nach deutschem Recht sind eingetragene Seeschiffe wie unbewegliche Gegenstände zu behandeln. Denn ebenso wie Grundstücke sind eingetragene Seeschiffe in einem Register, nämlich dem Schiffsregister, eingetragen. Der Wortlaut des Gesetzes gibt  dem Insolvenzgericht daher streng genommen keine Möglichkeit Arrestmaßnahmen in eingetragene Seeschiffe als unbewegliche Vermögensgegenstände im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens zu untersagen. 

Ansicht des Landgerichts Bremen

Das Landgericht Bremen vertrat eine andere Ansicht, soweit sich das Schiff im Ausland befindet. Ausweislich eines Beschlusses vom 14. August 2011 (Aktenzeichen 2 T 435/11), der jedoch noch vor der oben erwähnten Gesetzesänderung ergangen ist, kann ein Insolvenzgericht auf Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters den Arrest eines mit einer Schiffshypothek belasteten Seeschiffes untersagen, um den Verkauf des Schiffes vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verhindern. Die Entscheidung stößt auch auf Kritik. Denn das Gesetz bot gerade zur damaligen Zeit, wie erläutert, keine eindeutige Grundlage für das erlassene Arrestverbot. 

Hält man sich an den Wortlaut des Gesetzes, so dürfen Seeschiffe bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens jederzeit arrestiert werden. Lediglich, wenn man der gesetzlichen Fiktion – eingetragenes Seeschiff ist wie ein unbeweglicher Gegenstand zu behandeln –  nicht folgt, kommt ein Arrest des Seeschiffes im vorläufigen Insolvenzverfahren in Betracht.

Praktische Bedeutung

Seit der Entscheidung des Landgerichts Bremen ist unklar, ob Seeschiffe in der Phase zwischen Insolvenzantrag und Eröffnung des Insolvenzverfahrens arrestiert werden können. Auch andere Insolvenzgerichte haben mittlerweile Arrestverbote für Schiffe erlassen, obwohl das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet war. Sie haben sich damit der Ansicht des Landgerichts Bremen angeschlossen. 

Auch die oben erwähnte zum 01.01.2013 neu eingefügte Vorschrift, wonach privilegierten Gläubigern, wie Schiffshypothekengläubigern, ein Verwertungsverbot im vorläufigen Verfahren auferlegt werden kann, bezieht sich dem Wortlaut nach nur auf bewegliches Vermögen. Allerdings schließt der Wortlaut unbewegliches Vermögen nicht ausdrücklich aus. Nach neuer Rechtslage könnte ein Arrestverbot im vorläufigen Insolvenzverfahren daher auf eine analoge Anwendung dieser Vorschrift gestützt werden. 

Unklar ist auch, ob ausländische Gerichte der Entscheidung eines deutschen Insolvenzgerichts, dass ein Arrest eines Seeschiffes unzulässig ist, folgen (müssen). Insbesondere fraglich ist dies in Bezug auf im europäischen Ausland bestellte dingliche Sicherungsrechte. Denn diese werden kraft Europäischer Insolvenzordnung (Verordnung EG-Nr. 1346/2000) von den Wirkungen eines Insolvenzverfahrens in Deutschland grundsätzlich nicht berührt, wenn sich das Schiff zur Zeit des Erlasses des Verbots im Ausland befindet. Dies bedeutet, dass zum Beispiel eine niederländische Schiffswerft ihr dingliches Recht an einem Seeschiff auch dann durch Arrest sichern könnte, wenn ein deutsches Insolvenzgericht einen Arrest des Schiffes im vorläufigen Insolvenzverfahren für unzulässig erklärt hat. Ist die Europäische Insolvenzordnung nicht einschlägig, ist die Rechtslage unklar. 

Die Praxis zeigt, dass nicht alle außereuropäische Gerichte Verbote deutscher Insolvenzgerichte anerkennen. Lässt ein außereuropäisches Gericht einen Schiffsarrest trotz Arrestverbots des deutschen Insolvenzgerichts zu, kommt jedoch eine Schadensersatzpflicht des den Arrest betreibenden Gläubigers in Betracht. Die Schadensersatzhaftung müsste jedoch der Insolvenzverwalter geltend machen, d.h. er müsste den mutmaßlich entstandenen Schaden nachweisen bzw. den erhaltenen Erlös anfechten und aktiv herausverlangen. Gerade bei privilegierten Gläubigern könnte dies dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter recht schwer fallen, zumal er die Verfahrenskosten aus der Masse verauslagen müsste.

Dr. Tim Schommer

Ince & Co Germany LLP

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